15/11/2024 0 Kommentare
Geistliches Wort zu Weihnachten
Geistliches Wort zu Weihnachten
# Geistliches Wort

Geistliches Wort zu Weihnachten
Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, dass er’s stärke und stütze durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit.
(Jesaja 9,5 f.)
Wenn Sie diese Zeilen lesen, kann es sein, dass wir unser neues Kirchentor schon eingeweiht haben. Wenn nicht, sind Sie herzlich eingeladen, am 1.12. 24 um 10 Uhr beim Festgottesdienst in der Lutherkirche mit dabei zu sein.
Mit der Zeit ist die „Friedensarbeit“ zum zentralen Thema unserer Gemeinde geworden. Nach außen hin haben wir das mit der Errichtung der Friedenssäule und der Umbenennung des Vorplatzes in „Friedensplatz“ sichtbar gemacht. Es war eine logische Konsequenz, die notwendige Renovierung unseres Kirchentors ebenfalls mit unserer Friedensarbeit zu verbinden. Näheres dazu finden Sie im Inneren des Blattes.
In wenigen Wochen beginnt die Ökumenische Friedensdekade. Sie steht in diesem Jahr unter der Aufforderung „Erzähl mir vom Frieden!“ Das möchte ich im Geistlichen Wort diesmal auch tun und Ihnen eine Friedensgeschichte erzählen - in der Hoffnung Sie zu inspirieren, Ihre eigenen Friedensgeschichten und Erlebnisse mit anderen Menschen zu teilen. Wir brauchen solche ermutigenden Geschichten, um uns nach dem Frieden auszustrecken und ihn zu leben.
Vor 110 Jahren ereignete sich im Ersten Weltkrieg das Wunder von Flandern: Vom Ärmelkanal bis zur Schweizer Grenze lagen sich hunderttausende Soldaten in den Schützengräben gegenüber - ein grausames Töten und ein sinnloses Sterben. Längst war die Kriegseuphorie der ersten Tage verflogen.
Ein französischer Leutnant schreibt an Heiligabend 1914 in sein Tagebuch: "Armer kleiner Gott der Liebe, in dieser Nacht geboren, wie kannst du nur die Menschen lieben?" Zwischen den verfeindeten Linien liegt ein finsterer Streifen Niemandsland. Er steht symbolisch für die Dunkelheit, die Menschen auch in ihren Herzen tragen können.
Doch dann - inmitten des Bekriegens und Sterbens - geschieht etwas Seltsames, vorher nie da Gewesenes: Aus dem deutschen Lager in Flandern erklingen plötzlich Lieder. Rauhe Männerkehlen singen in die Dunkelheit hinein: "Stille Nacht, Heilige Nacht!" Die Gegner verstehen die Texte nicht, aber sie erkennen die Melodie. Zuerst halten sie es für eine List der Feinde, doch die Lieder breiten sich aus. Es flackern Kerzen auf in der Dunkelheit. Pappschilder werden hochgehalten, erst hüben, dann drüben: "Frohe Weihnacht", "Merry Christmas", "We not fight - You not fight". Die Soldaten legen auf beiden Seiten ihre Waffen nieder - erst zögerlich, dann ganz bewusst. Nachdem sie tagsüber um jeden Zentimeter Boden gekämpft hatten, treffen sie sich nun friedlich im Niemandsland. Im Kerzenschein erkennen sie: Der andere, der Feind, ist kein Monster, sondern ein Mensch wie ich. Die gegnerischen Soldaten feiern gemeinsam die Christnacht und am frühen Morgen beerdigen sie zusammen die Toten. Die Männer erzählen sich gegenseitig von ihren Familien, zeigen einander Fotos von Zuhause und teilen die Essensrationen und spielen miteinander Fußball. Ein unglaublicher Friede!
Der große Traum der Menschheitsgeschichte vom Frieden wird für kurze Zeit Wirklichkeit. Es ist, als hätte Gott selbst seine Hand im Spiel.
Der Friede hält zwei Tage an. Die Soldaten verweigern zunächst den Befehl, wieder aufeinander zu schießen, aber die Heeresleitung auf beiden Seiten greift zu drakonischen Maßnahmen. Man droht mit Erschießungen. Als die Angst vor der eigenen Obrigkeit wieder ihr altes Maß erreicht, geht das sinnlose Töten und Schlachten weiter. Am Ende verlieren alle, wie das bei Kriegen immer der Fall ist.
Was von diesem unglaublichen Ereignis bleibt, sind Erinnerungen, ein paar Bilder und Berichte von dem Wunder in Flandern. Erst in unseren Tagen ist diese Geschichte wieder ans Licht gekommen. Die Militärs hätten sie gern vergessen und verschwiegen, weil sie davon zeugt, wozu Menschen im Guten wie im Bösen fähig sind.
Lassen wir uns nicht blenden von Bosheit, Feindschaft und Hass. Versuchen wir, unsere Vorurteile abzulegen und das Böse mit Gutem zu überwinden. Entzünden wir ein Licht im Dunkel dieser Welt. So wie es uns das Kind in der Krippe und der Mann am Kreuz vorgelebt haben.
Einen gesegneten Advent, ein frohes Christfest und ein gutes, friedvolles neues Jahr 2025 wünscht Ihnen
Ihr Pfarrer Christian Brost
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