08/08/2024 0 Kommentare
"Schafft euch ein Nebenamt!"
"Schafft euch ein Nebenamt!"
# Geistliches Wort

"Schafft euch ein Nebenamt!"
Schafft euch ein Nebenamt, ein unscheinbares, womöglich ein geheimes Nebenamt. Tut die Augen auf und sucht, wo ein Mensch ein bisschen Zeit, ein bisschen Teilnahme, ein bisschen Gesellschaft, ein bisschen Fürsorge braucht. Vielleicht ist es ein Einsamer, ein Verbitterter, ein Kranker, ein Ungeschickter, dem du etwas sein kannst. Vielleicht ist’s ein Greis, vielleicht ein Kind (…) Auf Enttäuschungen sei gefasst. Aber lass dir ein Nebenamt, in dem du dich als Mensch an Menschen ausgibst, nicht entgehen. Es ist dir eines bestimmt, wenn du nur richtig willst.
Albert Schweitzer
Der Herbst steht ganz im Zeichen der Wahl: nach sechs Jahren Amtsperiode wird im Oktober die Gemeindevertretung unserer Pfarrgemeinde neu gewählt. Grund genug innezuhalten und jenen Frauen und Männern ‚Danke‘ zu sagen, die in den vergangenen sechs Jahren unsere Gemeinde geleitet und sie durch ihre engagierte Mitarbeit und ihre Entscheidungen in schwierigen Jahren auf Kurs gehalten haben.
Den scheidenden Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertretern wünsche ich alles Gute und Gottes Segen auf ihren Wegen. Allen, die erstmalig oder wieder für dieses Amt kandidieren, bin ich sehr dankbar, dass sie in einer herausfordernden Zeit bereit sind, für den Lebensraum ‚Evangelische Gemeinde‘ Verantwortung zu übernehmen.
Verantwortung zu übernehmen in einer Zeit des Wandels und der Verunsicherung:
Eine Gesellschaft, die besessen ist von Geld und Macht, von Konsum und Unterhaltung, in der Profitmaximierung mehr zählt als menschliches Wohlergehen, in der Umwelt lediglich als Ressource gesehen wird und das Ego fröhliche Urstände feiert, bekommt den Spiegel vorgehalten. Die Auswirkungen unseres Handelns, die wir lange in andere Weltregionen ausgelagert hatten, kommen zu uns zurück – als Pandemie, in Gestalt des Klimawandels und als Energiekrise. Krieg und Kriegsgeschrei flammen wieder auf.
Der 1957 von Albert Schweitzer verfasste „Appell an die Menschheit“ hat meines Erachtens nichts von seiner Aktualität eingebüßt. Schweitzer schrieb damals:
Das Bewusstsein, dass wir miteinander Menschen sind, ist uns in Kriegen und Politik abhandengekommen. Wir kamen dazu, miteinander nur noch als Angehörige verbündeter oder gegnerischer Völker zu verkehren und in den sich daraus ergebenden Ansichten, Vorurteilen, Zuneigungen und Abneigungen gefangen zu bleiben. Nun heißt es wiederentdecken, dass wir miteinander Menschen sind und uns zu bemühen haben, uns gegenseitig zuzugestehen, was in dem Wesen des Menschen als moralische Fähigkeit vorhanden ist. So können wir uns zu dem Glauben erheben, dass auch in Angehörigen anderer Völker das Bedürfnis eines neuen Geistes wach werden wird, wodurch wir beginnen werden, füreinander wieder vertrauenswürdig zu sein.
Derzeit vollzieht sich ein gesellschaftlicher Umbruch, der vieles in Mitleidenschaft zieht – auch die Kirche(n). Dieser Umbruch verunsichert uns, macht uns ratlos und traurig, weil wir nicht so recht wissen, wie wir mit dem, was auf uns zukommt, umgehen sollen.
Meines Erachtens ist das auch eine Chance. Die Chance zu bewahren und zu bewähren, was wir in den letzten Jahrzehnten als Pfarrgemeinde für uns als gut, richtig und heilsam erkannt haben: ein achtsames Miteinander, das seine Kraft aus dem Evangelium schöpft und auf andere zugeht und sie einbezieht, der Dialog mit Menschen aus anderen Konfessionen und Religionen und Menschen, die mit der Kirche und dem Glauben an Gott wenig anfangen können. Die Chance gemeinsam nach Wegen zu suchen, wie wir unser Menschsein miteinander leben wollen und unseren Beitrag leisten können zu einem gelingenden Miteinander in Kirche und Gesellschaft.
Vielleicht hilft es, uns gerade in dieser herausfordernden Zeit daran zu erinnern, dass Gott uns mitten in unsere Furcht hinein den Geist der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit schenkt.
Einen erfreulichen Herbst wünsche ich uns allen!
Euer Pfarrer Christian Brost
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