08/08/2024 0 Kommentare
Bertha von Suttner
Bertha von Suttner
# Menschen des Friedens

Bertha von Suttner
Jugend und Weg zur Schriftstellerin
Am 9. Juni 1843 wurde Bertha als Kind von Franz Joseph Graf Kinsky von Wchinitz und Tettau und Sophie Wilhelmine (geborene Körner) ins Umfeld des böhmischen Adels hineingeboren. Ihr Vater starb 75-jährig noch vor ihrer Geburt. Dennoch genoss sie eine gute Schulbildung, lernte mehrere Sprachen und beschäftigte sich mit Musik. Die spielsüchtige Mutter konnte das geerbte Vermögen nicht lange halten. Der Plan Berthas, als Sängerin Karriere zu machen, scheiterte ebenso wie mehrere Versuche, einen wohlhabenden Mann zu ehelichen. Für ihre Zeit war Bertha scheinbar zu belesen, zu gebildet und nicht dem damals erwarteten Frauenbild entsprechend.
Selbst schreibt sie in ihren Memoiren zu dieser Zeit ihres Lebens:
„Es ist aber Wahrheit. So eine schale, flitterige, kleine Jugend hatte ich. So unschöne Dinge, wie die Spielbadreisen, die wegen-Geldes-Verlobungen kamen darin vor. Ich hätt‘ es ja nicht erzählen müssen – doch fand ich mich unter einem gewissen Bann beim Schreiben: wahr sein, ganz wahr! – Nur daraus fließen Lehren!“
(In Bertha Suttner, Kämpferin für den Frieden von Brigitte Hamann, S.29, Suttner an Fried, 1908)
1873 trat Gräfin Bertha Kinsky eine Stelle als Gouvernante und Gesellschafterin von 4 halb erwachsenen Töchtern (20,18, 17 und 15 Jahre alt) im Haus des Barons Carl von Suttner an. Gut gebildet, wie sie war, war die Tätigkeit als Erzieherin für sie nicht schwierig. Sie konnte 3 Fremdsprachen perfekt (Englisch, Französisch und Italienisch), war musikalisch gebildet und konnte – für Laienbegriffe – außerordentlich gut singen.
Es kam, dass sie sich in den 23-jährigen Bruder ihrer anvertrauten Mädchen, in Arthur Gundaccar von Suttner verliebte. Fast 3 Jahre pflegten die beiden eine geheime Beziehung. Als das aufflog, musste sie das Suttner’sche Haus verlassen. Baronin Suttner zeigte Bertha eine Annonce, wo ein reicher, hochgebildeter Mann in Paris eine sprachkundige Sekretärin zur Oberaufsicht des Haushalts suchte. Es war niemand geringerer als Alfred Nobel. Wenig mehr als eine Woche war Bertha bei Nobel. Als er verreist war, holte sie die Sehnsucht nach Arthur ein. Von den Suttner-Mädchen wusste sie auch um sein Leid wegen ihrer Abwesenheit und sie entschied sich gegen die „gute Partie“ - Alfred Nobel, die es hätte werden können. Trotz der Enttäuschung blieben sie einander freundschaftlich verbunden.
Am 12.6.1876 wurden Arthur und Bertha in einer entlegenen Vorstadtkirche getraut. Die kirchliche Trauung war für beide nur ein formeller Akt. Beide waren im kirchlichen Sinn nicht religiös. Frisch vermählt reisten sie in den Kaukasus, wo sie von der Fürstin Ekaterina von Mingrelien eingeladen waren. Kaum ein Jahr nach ihrer Ankunft brach der russisch-türkische Krieg aus. Mit Musik- und Französischunterricht wurde es immer schwieriger, den eigenen Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Die Situation in Georgien war alles andere als einfach, aber Arthur und Bertha genügten sich selbst und litten scheinbar kaum unter den Entbehrungen. Arthur begann für die Presse Berichte über die Kriegsereignisse zu schreiben. Später berichtete er vom Leben im Kaukasus, von Volkssitten und alltäglichen Begebenheiten. Derart inspiriert, begann auch Bertha zu schreiben, Fortsetzungsromane und Liebesromane zu Beginn, und bald wollte sie „lernen, lernen, lernen.“ Ihr eigener Anspruch wuchs und sie wollte weltanschauliche Erkenntnisse vermitteln. 1882 zogen die Suttners nach Tiflis.
„Die Waffen nieder“ und erste Friedensaktivitäten
1885 kehrte Bertha als etablierte Schriftstellerin mit Arthur nach Österreich zurück. Neu für sie waren da das häusliche und gesellige Leben in Harmannsdorf in der Großfamilie Suttner. Arthur und Bertha blieben antiklerikal und freisinnig im katholisch-frommen Milieu, also fortschrittlich-liberal in einer erzkonservativen Umgebung. Bertha wollte mit ihren Büchern aufklären, erziehen und etwas in Bewegung bringen. Sie schrieb Romane, wie „Das Maschinenzeitalter“, in dem sie sich „alles von der Seele wälzte, was sich in mir an Groll und Leid über die Zustände der Gegenwart und an Hoffnungsgluten über die verheißene Zukunft angesammelt hat.“ (ebd.S.82).
In diesen Jahren knüpfte sie unzählige Kontakte zu anderen Schriftstellern; auch zu Alfred Nobel hatte sie wieder Kontakt. Arthur und Bertha wurden zu Weltbürgern. In Paris erfuhr sie von der Existenz einer organisierten Friedensbewegung, was sie elektrisierte. Gefesselt von der Friedensidee entschied sie sich für das bewährte Format des Romans. Für die breite Masse gedacht – entwarf sie in Form der Autobiografie einen Roman, der alles, was sie zum Thema Krieg und Frieden fühlte, vermitteln sollte.
„Wenn einer nach verlorener Schlacht mit zerschmetterten Gliedern auf dem Felde liegen bleibt und da ungefunden durch vier oder fünf Tage und Nächte an Durst, Hunger, unter unsäglichen Schmerzen, lebend verfaulend, zugrunde geht – dabei wissend, dass durch seinen Tod dem besagten Vaterlande nichts geholfen, seinen Lieben aber Verzweiflung gebracht worden – ich möchte wissen, ob er die ganze Zeit über mit jenem Ruf //>Für das Vaterland/ gern stirbt.“ (ebd.S.91 f) >
Schonungslos enthüllt Suttner die Heuchelei einer Gesellschaft, die den Krieg als Bewährungs- und Mutprobe für den Mann bagatellisiert und verherrlicht. Und sie kritisiert die Kirche, die die Waffen segnet und die Naivität des Glaubens, Gott würde im Krieg helfen: ruft doch der Gegner denselben Gott an. < (ebd.S.93) Nach anfänglichen Problemen, was die Veröffentlichung betrifft, gelang dem Buch (1. Druck beim Leipziger Verleger Pierson 1889) der Durchbruch. Beispielgebend hier der Kommentar von Alfred Nobel nach seiner ersten Lektüre von „Die Waffen nieder“:
„Ich habe gerade die Lektüre Ihres bewundernswerten Meisterwerkes beendet. Man sagt, dass es 2000 Sprachen gibt – das wären 1999 zu viel - aber sicherlich gibt es keine Sprache, in die Ihr herrliches Werk nicht übersetzt werden müsste, um gelesen zu werden. Wieviel Zeit haben Sie für dieses Wunder gebraucht? Sie werden es mir sagen, wenn ich die Ehre und das Glück haben werde, Ihnen die Hand zu drücken, diese Amazonenhand, die so wachsam dem Krieg den Krieg macht. Sie haben dennoch Unrecht,>Die Waffen nieder< zu rufen, da Sie ja selbst von Waffen Gebrauch machen, aber freilich tragen die Ihren – der Charme Ihres Stils und die Größe der Ideen auf andere Weise sehr viel weiter … als alle anderen Höllenwerkzeuge. … Yours forever and more than ever. A.Nobel“. (ebd.S.94)
Friedensverein und Kampf gegen den Antisemitismus
1891 gelang die Gründung der Österreichischen Gesellschaft der Friedensfreunde, deren Präsidentin sie bis zu ihrem Tode blieb. Im selben Jahr wurde Bertha von Suttner beim Weltfriedenskongress in Rom zur Vizepräsidentin des Internationalen Friedensbüros gewählt. Ihr Engagement für den Frieden - vor allem in Europa – war enorm. Auf dem Friedenskongress 1892 in Bern stellte Suttner mit dem Italiener Moneta und dem Engländer Capper einen Antrag mit dem Titel „Europäischer Staatenbund“. 1897 überreichte sie Kaiser Franz Joseph I. eine Unterschriftenliste mit dem Plädoyer für ein internationales Schiedsgericht. Sie bereitete die Erste Haager Friedenskonferenz von 1899 mit vor.
Stets kämpften die Suttners auch gegen den stärker werdenden Antisemitismus. Bertha glaubte an ein „Edelmenschentum“, in dem der Antisemitismus verschwinden würde.
„Was konnte … dieser Begriff (Antisemitismus) mitten in den gesetzgebenden Körpern des neunzehnten Jahrhunderts suchen, wo doch der Satz:>Vor dem Gesetz sind alle gleich< die Grundlage des Rechtes abgab?“ (ebd. S.138)
Allein die Gesellschaft, in der Menschen wie Karl Lueger das Sagen hatten, zeigte kein Edelmenschentum. Und auch mit Theodor Herzls Ziel eines Judenstaates (gleichlautendes Buch setzte sich für staatliche Autonomie der Juden ein und begründete so den Zionismus) konnte Bertha nicht mitgehen.
Geldnot führte schließlich zur Auflösung des Anti-Anti-Vereins und auch der Friedensverein hatte ständige Geldsorgen. Mehrere Male erhielt Bertha finanzielle Unterstützung von Alfred Nobel für ihre Friedensarbeit. 1904 bereiste sie mehrere Monate die Vereinigten Staaten, wo die Friedensbewegung wesentlich fortgeschrittener zu sein schien. Begeistert kam die „Friedens-Bertha“ wieder nach Hause.
Nobelpreis und Tod
Während in ihrem Privatleben einiges schieflief – ihr Gatte Arthur verbrachte viel Zeit mit seiner deutlich jüngeren Nichte Marie Louise, was Bertha eifersüchtig machte, mussten die Suttners auch ihre eigenen Finanzen ordnen. Das desolate Schloss Harmannsdorf der Familie Suttner stand vor der Exekution.
1902 starb Arthur Suttner im Alter von 52 Jahren. Harmannsdorf wurde versteigert und Bertha bezog eine kleine Wohnung in der Heugasse 20 in Wien. Beinahe jedes Jahr nach Arthurs Tod hoffte sie, den im Jahre 1901 erstmals vergebenen Friedensnobelpreis zu erhalten, hatte sie doch Alfred Nobel die Idee dazu geliefert. 1905 wird Bertha von Suttner, als erster Frau der Friedensnobelpreis zuerkannt. Bis zu ihrem Tod hielt sie unzählige Reden und reiste auch noch einmal in die USA. Das friedliche Europa, von dem Suttner träumte, war jedoch vielmehr ein Unruheherd, geprägt von Nationalitätenkämpfen. Als dann auch im Krieg von Tripolis erstmals Bomben aus Flugzeugen abgeworfen wurden, hofften die Pazifisten weltweit noch, ein Verbot dieser Waffen zu erwirken. Wie wir leider wissen, ist dieses Verbot nicht zu Stande gekommen.
Am 21. Juni 1914 erlag Bertha von Suttner ihrem Magenkrebs und 7 Tage später fielen die tödliche Schüsse in Sarajewo, auf die der erste Weltkrieg folgte.
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