08/08/2024 0 Kommentare
Gandhi - ein heiliger Kämpfer?
Gandhi - ein heiliger Kämpfer?
# Menschen des Friedens

Gandhi - ein heiliger Kämpfer?
Gandhi - der kleine dürre Mann, der die Unabhängigkeit Indiens vom britischen Empire durch gewaltlosen Widerstand erzwingt, wird von vielen wie ein Heiliger verehrt. Es gibt aber auch kritische Aspekte, und das ist gut so, denn dadurch kann er nur an Glaubwürdigkeit gewinnen.
Die Wurzeln
Mohandas Karamchand Gandhi entstammt der indischen Oberschicht, geboren am 2.Oktober 1869 als Sohn gläubiger Hindus, bei denen Gewaltlosigkeit und die Vorbildfunktion eines Menschen als besonders wichtig gelten.
Mit 19 Jahren beginnt er sein Jura-Studium in London. Er kehrt als Rechtsanwalt in seine Heimat zurück, kann sich dort aber nicht etablieren. Die Kastenzugehörigkeit wird ihm entzogen, da ein anständiger Mensch nicht ins moralisch verdorbene Ausland zu reisen habe.
1893 bietet sich ihm die Gelegenheit, beruflich Fuß zu fassen: Er wird in Südafrika (damals ebenfalls eine britische Kolonie) als Anwalt für einen indischen Unternehmer tätig.
Aus dem Zug geworfen
In Südafrika ist Gandhi mit dem vorherrschenden Rassismus konfrontiert. Da er kein Weißer ist, wird er trotz seines 1. Klasse-Tickets aus dem Zug geworfen, weil er sich weigert, im Gepäckwagen Platz zu nehmen.
Dieses Erlebnis lässt ihn den Kampf gegen den Rassismus, der Indern in Südafrika widerfährt, aufnehmen. Es geht ihm allerdings ausschließlich um die Rechte der Inder: Die Gleichbehandlung der Schwarzen interessiert ihn nicht, er bezeichnet sie abschätzig als “Kaffer” und ist sogar der Ansicht, dass die Schwarzen rechtlos leben müssen.
Satyagraha
Sehr wohl aber leistet er Widerstand gegen Regeln, die er als ungerecht empfindet. Durch gewaltlosen Widerstand will er die Vernunft und das Gewissen des Gegners ansprechen, anstatt mit Gewalt seine Ziele zu erreichen; Gewalt führe nur zu Gegengewalt.
“Satyagraha” (“gewaltlosen Widerstand”) entwickelt Gandhi zu einem eigenen Weltbild. Es erfordert die Bereitschaft, Schmerz und Leid auf sich zu nehmen. Um dafür bereit zu sein, muss man durch Selbstkontrolle Wille und Körper stärken. Für Gandhi ist das der Grund, mit seiner Ehefrau keusch zu leben (nachdem er vier Kinder gezeugt hat).
Die Unabhängigkeitsbewegung
Nach 21 Jahren in Südafrika kehrt Gandhi nach Indien zurück. Dort gibt es bereits eine Bewegung für die Unabhängigkeit des Landes von der britischen Kolonialmacht; sie ist allerdings untereinander zerstritten und hat sich zum Teil gut arrangiert. Die Briten ihrerseits versuchen, insbesondere die Hindus und die Muslime gegeneinander auszuspielen.
Gandhi ist überzeugt, dass die Briten nur mit Unterstützung der Inder das Land regieren können, und wirbt daher im Indischen Nationalkongress dafür, nicht mit den Briten zusammen zu arbeiten: Die Inder sollen sich aus der britisch kontrollieren Verwaltung zurückziehen.
In den Schulen macht er durch die Produktion von Textilien dem Empire Konkurrenz, lässt Berge britischer Textilien verbrennen - und ruft durch diese Kampagne gewalttätige Auseinandersetzungen hervor. Gandhi lässt das abbrechen: keine Gewalt soll angewendet werden - auch, um den Briten keinen Grund zu liefern, selbst mit Gewalt zuzuschlagen.
Ein Heiliger im Gefängnis
Gandhi wird der Volksverhetzung angeklagt und bis 1924 eingesperrt. Jetzt gilt Gandhi international schon beinahe als Heiliger, man nennt ihn “Mahatma” (“große Seele”). Er bringt das riesige Indien in Bewegung, erfährt aber auch immer wieder Ablehnung, insbesondere von den Muslimen. Gandhi will zwar den Ausgleich mit ihnen, inszeniert sich selbst aber als Hindu (allein schon durch seine Kleidung). Viele Muslime sind skeptisch, was seine Reden vom harmonischen Miteinander wert seien.
Der Salzmarsch

Eine britische Kommission wird eingesetzt, um über Indiens Zukunft zu beraten. Gandhi stellt sich weiter gegen die aus seiner Sicht unrechten Gesetze der Briten, etwa dass Inder selbst kein Salz produzieren dürfen. Den Menschen sagt er, dass es eine Sünde sei, mit den Briten zusammen zu arbeiten. Und so marschiert er 380 km bis zum Meer, um dort auf einfache Weise Salz zu gewinnen - ein Zeichen für die Selbständigkeit und wirtschaftliche Unabhängigkeit der indischen Nation. Gandhi wird erneut inhaftiert, seine Mitstreiter werden brutal niedergeschlagen.
Fasten als Druckmittel

Doch die Briten müssen Gandhi immer ernster nehmen. In London verhandelt er über die Unabhängigkeit Indiens. Weil er verschiedenen muslimischen Minderheiten keine institutionellen Rechte einräumen will, scheitern die Verhandlungen. Gandhi bleibt kompromisslos und ist bereit, bis in den Tod zu fasten; damit bringt er seine politischen Gegenspieler dazu, sich ihm zu fügen.
Gandhi zieht sich nun immer mehr aus der Politik zurück und übt sich in Askese und Selbstdisziplin. Vielen erscheint er mittlerweile als zu vergeistigt, als hätte der den Bezug zur Realität verloren.
Die Unabhängigkeit Indiens
Der 2. Weltkrieg erschöpft das britische Empire, der Weg zu Indiens Unabhängigkeit wird frei. Am 15. August 1947 wird die Regierungsgewalt übergeben, aber Gandhi ist nicht dabei. Er lehnt diese Unabhängigkeit ab, vor allem weil sie mit der Teilung des Landes in Indien und Pakistan einhergeht.
Der Tod vieler und der Tod Gandhis
15 Millionen Menschen werden durch diese Zweiteilung vertrieben, 1 Million ermordet. Hindus und Muslime sind Täter, es kommt zum Bürgerkrieg. Gandhi will Frieden stiften und fastet für die Recht der Muslime in Delhi. Noch einmal kann er ein Abkommen erzwingen, doch wird er nun von Hindunationalisten als Verräter gesehen.
Am 13. Jänner 1948 wird Gandhi von einem dieser fanatischen Nationalisten ermordet.
Andreas Andel

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