Janusz Korczak: Ein großer Humanist

Janusz Korczak: Ein großer Humanist

Janusz Korczak: Ein großer Humanist

# Menschen des Friedens

Janusz Korczak: Ein großer Humanist
Er selbst hatte die Möglichkeit, sich zu retten, und nur mit Mühe brachte er die Deutschen dazu, dass sie ihm erlaubten, die Kinder zu begleiten. Lange Jahre seines Lebens hatte er mit Kindern verbracht und auch jetzt, auf dem letzten Weg, wollte er sie nicht allein lassen. 

  Aus: W. Szpilman: Der Pianist. Mein wunderbares Überleben

Bis in den Tod

Der berühmte Pianist Wladyslaw Szpilman war Augenzeuge, als Janusz Korczak seinen letzten Weg aus dem Warschauer Ghetto antrat. In seinen Memoiren beschreibt er, wie sehr Korczak bemüht war, „seinen“ Kindern des Waisenhauses zumindest die schlimmste Angst zu ersparen:

Er wollte es ihnen leichter machen. Sie würden aufs Land fahren, ein Grund zur Freude, erklärte er den Waisenkindern. Endlich könnten sie die abscheulichen, stickigen Mauern gegen Wiesen eintauschen, auf denen Blumen wüchsen, gegen Bäche, in denen man würde baden können, gegen Wälder, wo es so viele Beeren und Pilze gäbe.
Er ordnete an, sich festtäglich zu kleiden und so hübsch herausgeputzt, in fröhlicher Stimmung, traten sie paarweise auf dem Hof an. Die kleine Kolonne führte ein SS-Mann an, der als Deutscher Kinder liebte, selbst solche, die er in Kürze ins Jenseits befördern würde. Besonders gefiel ihm ein zwölfjähriger Junge, ein Geiger, der sein Instrument unter dem Arm trug. Er befahl ihm, an die Spitze des Kinderzuges vorzutreten und zu spielen – und so setzen sie sich in Bewegung. Als ich ihnen an der Gęsia-Straße begegnete, sangen die Kinder, strahlend, im Chor, der kleine Musikant spielte ihnen auf und Korczak trug zwei der Kleinsten, die ebenfalls lächelten, auf dem Arm und erzählte ihnen etwas Lustiges.

Aus: W. Szpilman: Der Pianist. Mein wunderbares Überleben

Doktor Henryk aus Warschau

Dieser Weg aus dem Ghetto ins Vernichtungslager Treblinka war keineswegs vorgezeichnet - ganz im Gegenteil. Denn Henryk Goldszmit - so hieß Korszak mit seinem eigentlichen Namen - wird 1878 (oder 1879, das ist nicht geklärt) in gutbürgerliche Verhältnisse hinein geboren. Sein Vater, ein erfolgreicher Warschauer Rechtsanwalt, schickt Henryk aufs Gymnasium, und eine erfolgreiche Berufslaufbahn scheint vorgezeichnet. Gegen Ende seiner Schulzeit erkrankt der Vater schwer, und nach dessen baldigem Tod muss Henryk den Lebensunterhalt seiner Mutter und Schwester mitfinanzieren.

Neben seinem Medizinstudium verfasst Henryk bereits erste Bücher, noch am Gymnasium hatte er für seinen ersten Roman sogar einen Preis gewonnen. Eines seiner weiteren Bücher veröffentlicht er unter dem Pseudonym Janasz Korczak, aus dem durch einen Druckfehler Janusz Korczak wird - der Name, den er künftig beibehält.

Janusz schreibt weitere Romane, und bald ist er als Schriftsteller so bekannt, dass er auch als Arzt berühmt und populär wird.

Dom Sierot

Seine erste Anstellung als Arzt erhält Korczak an einer Kinderklinik. Als humanistisch geprägter Mensch widmet er seinen ganzen Einsatz, aber auch seine Einnahmen als Schriftsteller von Anfang an den Ärmsten und Schwächsten der Gesellschaft. Er betreut Sommerferienlager für verarmte Kinder und bekommt schließlich die Möglichkeit, ein jüdisches Waisenhaus nach eigenen Vorstellungen zu errichten und dieses zu leiten. Korczak gibt seine Anstellung als Arzt auf und leitet künftig das Dom Sierot.

Das Dom Sierot (poln. „Waisenhaus“) wird Lebensmittelpunkt bis zu seinem Tod. Jüdische Kinder bis 14 Jahre finden dort nicht nur das buchstäbliche Dach über dem Kopf, sondern erfahren eine Erziehung, die als bahnbrechend einzustufen ist.

Ziel seiner pädagogischen Bemühungen sind freie, phantasievolle Kinder. Er führt eine Anschlagtafel ein, die das Leben in einer Gemeinschaft durch Informationsaustausch zwischen Lehrern und Schülern erleichtert; einen Briefkasten; Regale für Spiele; ein Heft für Tausch- und Kaufaktionen der Kinder; einen Schrank für Fundsachen; einen kleinen Laden u.a.m. Weiters gibt es verschiedene Dienste wie eine Betreuungskommission, Konferenzen mit Kindern, eine Zeitung von Kindern für Kinder, ein Kameradschaftsgericht mit einer eigenen Gerichtszeitung und ein Kinderparlament.

Korczak misst allen diesen Einrichtungen eine besondere Bedeutung für die Entwicklung der Kinder bei. So können diese erlernen, auf Antworten zu warten, zwischen wichtigen und unwichtigen Dingen zu unterscheiden, zu denken und zu begründen und vieles mehr. Die Kinder arbeiten in den verschiedenen Einrichtungen abwechselnd, je nach ihren Fähigkeiten, und lernen so ohne Zwang von sich aus.

Eine humanistisch geprägte Pädagogik

Die Pädagogik von Janusz Korczak ist bestimmt durch die Achtung, Liebe und Wertschätzung gegenüber den Kindern. Durch Beobachten, Einfühlen, aus Fehlern Lernen und Experimentieren entwickelt er die Arbeitsprinzipien, die für sein Dom Sierot gelten sollen.

Korczak vertritt eine realistische und nüchterne Pädagogik. Aus seinen Beobachtungen mit Kindern kennt er alle Arten von Gutheit und Bosheit, aber er verurteilt niemals, sondern fragt immer nach den Gründen für ein bestimmtes Verhalten. Aus dieser Haltung heraus sieht er auch den Erzieher als jemanden, dessen wichtigste Kompetenz es ist, seine ihm anvertrauten Kinder zu verstehen.

Gute Erzieher unterscheiden sich nach Ansicht Korczaks von schlechten nur durch die Anzahl der begangenen Fehler. Gute Erzieher müssten selbstkritisch sein, über jede Kleinigkeit nachdenken, nachforschen und die Kinder befragen, um so aus den eigenen Fehlern zu lernen. Man müsse die „Beschwerden“ der Kinder ernst nehmen, um sie kennen zu lernen. Seine Devise: „Erlaube den Kindern, Fehler zu machen und frohen Mutes nach Besserung zu streben.“

Dabei bleibt Korczak aber immer Realist. Illusionslos hält er mehrfach fest, dass es - so wie bei den Erwachsenen - gute und schlechte Menschen gebe. Sein Humanismus aber gesteht jedem Menschen zu, dass er zu dem werden kann, zu dem er werden möchte.

Korczak hat also letztlich einen optimistischen Blick auf die Menschen. Ein Mensch sei nur böse, „weil er es nicht wusste oder es nicht anders verstand“, und er sei gut, „wenn er wisse und könne“.

Von der Blütezeit ins Ghetto

Nachdem Warschau zur Hauptstadt eines eigenständigen polnisches Staates geworden ist, übernimmt Korczak auch die Leitung eines weiteren Waisenhauses in einem Warschauer Villenvorort. Er lehrt als Dozent am Institut für Sonderpädagogik, ist beim Bezirksgericht Sachverständiger für Erziehungsfragen und verfasst eine Reihe von Kinderbüchern und Erzählungen, in denen er seine pädagogischen Erkenntnisse thematisiert. Zuletzt wird er sogar Mitarbeiter des polnischen Rundfunks, in dem er als „alter Doktor“ in seiner Sendung sich mit Kindern über Kinder unterhält.

Mit dem Überfall auf Polen 1939 und ein Jahr später der Zwangsumsiedlung der Warschauer Juden ins Ghetto beginnt der letzte, herausforderndste Lebensabschnitt von Janusz Korczak. Auch sein Dom Sierot muss ins Ghetto übersiedeln, das er unter unvorstellbar schwierigen Bedingungen zwei Jahre lang weiter betreut, bis er im August 1942 mit seinen Waisenkindern seinen letzten Weg ins Vernichtungslager Treblinka antritt.

Andreas Andel

Empfehlungen

Es gibt viele Schriften und Bücher von Korczak und noch viel mehr Literatur über ihn. Hier meine persönlichen Top-3 Empfehlungen zum Einstieg:

  • Janusz Korczak: Wie man ein Kind lieben soll (Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht)
  • Wolfgang Pelzer: Janusz Korczak (Verlag: Rowohlt)
  • Korczak. Ein Film von Andrzej Wajda (als DVD, Blu-Ray und bei Streaming-Anbietern erhältlich)

Ganz besonders empfehlen möchte ich einen Besuch des Museums der Geschichte der polnischen Juden sowie der verschiedenen Korszak-Denkmäler in Warschau.

Dieser Beitrag ist in Referenz an den (hervorragenden) Wikipedia-Eintrag zu Janusz Korczak sowie den Artikel „Die Organisation einer humanen Schule nach Janusz Korczak“ von Karl Garnitschnig erstellt worden.

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