15/08/2024 0 Kommentare
50 Jahre Kalladorfer Leonhardskirche
50 Jahre Kalladorfer Leonhardskirche
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50 Jahre Kalladorfer Leonhardskirche
Bevor ich von diesem Jubiläum – gefeiert am 9. Juni um 15 Uhr in Kalladorf – erzähle, können Sie, werte Leserin, werter Leser, erstmals oder vielleicht wieder die Geschichte der ökumenisch erbauten Kirche in unserem Pfarrgebiet erfahren.
Über 80 000 evangelische Flüchtlinge sind durch die Wirren des II. Weltkrieges nach Österreich gekommen. Darunter war auch die Gruppe von etwa 40 Siebenbürgern aus Groß-Eidau in Nordsiebenbürgen, die im Weinviertel gelandet ist.
In Guntersdorf angekommen, warnte sie der Bürgermeister, wegen der Russen nicht hier an der Durchzugstrasse zu bleiben. So zogen die Heimatsuchenden nach Kalladorf und kamen zunächst bei Bauern unter – oft teilte sich eine Familie eine Kammer auf dem Hof. Mit der Zeit kamen die Männer aus der Kriegsgefangenschaft und waren froh, wieder bei ihren Familien zu sein.
Was gute Handwerker bewirken.
Mit ihrer Hände Arbeit haben diese Menschen sich im Weinviertel eine neue Existenz aufgebaut. Sie brachten meisterhaftes Können als Bauleute mit. Baumeister Trimmel bekam gute Maurer, die bald damit anfingen, sich miteinander Häuser zu bauen. Wie es ihnen aus Siebenbürgen vertraut war, trafen sie sich zum Singen und Musizieren, zum Austausch und zum Feiern. Bald waren sie aus Kalladorf nicht mehr wegzudenken.
Sie baten den evangelischen Pfarrer, in Kalladorf Gottesdienst zu halten, und am 24. Dezember 1949 fand in Kalladorf eine Gemeindeversammlung statt, bei der Kalladorf zur Predigtstation erhoben wurde, so dass es künftig sonntags, 14-tägig einen Gottesdienst gab.
Bau der Leonhardskirche
In ökumenischer Zusammenarbeit wurde später die Leonhardskirche gebaut und 1974 eingeweiht - ein schönes Zeichen von Toleranz und dem Aufeinander-Zugehen der Konfessionen.
Die nimmermüden Bauleute waren auch engagiert dabei, als die Christuskirche in Hollabrunn gebaut wurde, und halfen bei der Renovierung der Lutherkirche und des Pfarrhauses in Stockerau sowie der Heilandskirche in Spillern mit.
Das 50 Jahr Jubiläum wurde groß gefeiert.
Nun sind 50 Jahre durch das Land gegangen und die Bevölkerung in Kalladorf hat sich weiterentwickelt. Die meisten siebenbürgisch-stämmigen Menschen sind weggezogen und viele von ihnen haben den in Österreich vorherrschenden katholischen Glauben angenommen. So hat auch unsere evangelische Gemeinde als Folge die Frequenz der Gottesdienste reduziert. Und dennoch ist das ökumenisch gefeierte Weihnachtsfest für alle Kalladorfer Kirchenbesucher ein Highlight.
Im Bewusstsein, dass eine ökumenisch gebaute Kirche eine Besonderheit darstellt, waren auch für mich als Lektorin die Gottesdienste dort geprägt von einer offenen und herzlichen Spiritualität. Mit dieser Erinnerung im Gepäck fuhr ich also am 9.6. mit unserem Pfarrer Christian Brost zum Festgottesdienst samt Festakt.

Eine gewisse Sentimentalität meinerseits bezüglich der schwindenden Schar von Evangelischen will ich nicht verleugnen. Umso bemerkenswerter war für mich die Erfahrung dieser Feierlichkeit. Es waren sehr viele Besucherinnen und Besucher gekommen. Evangelische aus der Hollabrunner und der Stockerauer Gegend und natürlich die Kalladorferinnen und Kalladorfer. Pater Michael und Christian Brost feierten mit der Gemeinde, die zahlenmäßig die Sitzplätze der Kirche überstieg, sodass vor der Kirche Bänke aufgestellt waren und der Gottesdienst mit Lautsprechern nach draußen übertragen wurde. Die beiden wirkten gut aufeinander abgestimmt und überhaupt herrschte eine sehr freundschaftliche Atmosphäre. Vielleicht lag das aber auch an Luise Burger. Sie als Pfarrgemeinderätin und Mesnerin hat maßgeblich zum Gelingen dieser Veranstaltung beigetragen. Dank ihrer Initiative wurde die Kirche saniert, neu ausgemalt und der Platz rundum erneuert. Das Zusammenhelfen von BewohnerInnen und Marktgemeinde war so sichtbar und erlebbar geworden.
Nach dem Gottesdienst hörten wir diverse Festredner, genossen den Vortrag des Blasmusik-Quartetts und der Volkstanzgruppe und wurden schließlich von der Feuerwehr kulinarisch versorgt.
Das Pflänzchen „Friede“ kann gedeihen.
In Teilen gebe ich wieder, was Luise Burger als Wunsch für die Kalladorfer Kirche und ihre BesucherInnen vorgetragen hat:
Mögen Mut und Hoffnung zu uns finden,
Zuversicht all unsere Ängste überwinden.
…
Mögen wir uns einander friedvoll die Hände reichen,
auch wenn wir uns fremd sind und uns nicht gleichen.
Mögen wir das Anderssein anderer akzeptieren,
wertschätzend, ohne die eigenen Werte zu verlieren.
…
Möge es uns gelingen, einander zu verzeihen,
so beginnt das Pflänzchen „Friede“ zu gedeihen.
…
Mögen wir erkennen, dass wir eine Familie sind,
jeden Menschen schätzen als ein göttliches Kind.
…
Möge Liebe unsere neue Währung sein, wertvoller als Geld
Zum Wohle aller Wesen auf Erden - für eine gerechtere Welt.
…
Öffne dein Herz und lass deine Liebe bedingungslos fließen,
so wird sie zu einer Saat, aus der Wunder sprießen.
Meine Erkenntnis nach diesem großen Tag in Kalladorf will ich Ihnen nicht vorenthalten: Meine Sentimentalität – wegen des Verschwindens der Evangelischen – war einer tiefen Dankbarkeit gewichen. Diese kleine Kirche und mit ihr die Geschichte des Ortes und seiner BewohnerInnen hat deutliche Spuren hinterlassen. Da ist in einem katholisch geprägten Landstrich eine Offenheit und Toleranz spürbar, das kann doch nur an dieser speziellen Historie liegen. Ökumenisch in Kalladorf – Gott sei Dank.
Irmi Lenius
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